
Forschung an der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Rheumatologie und Klinische Immunologie an der Charité in Berlin am Campus Mitte
Auf diesen Seiten finden Sie Informationen zu verschiedenen klinischen Studien und zur Arbeit der Forschungslabore.
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Die Abteilung Neue Therapien (RNT 1), die Studiengruppe INSIDER (RNT 2), aber auch einige andere Arbeitsgruppen führen klinische Studien und Forschungsprojekte zu verschiedenen Krankheitsbildern und Fragestellungen durch. Die Arbeit unserer Arbeitsgruppen in den Forschungslaboren erfolgt in enger Zusammenarbeit mit dem Deutschen Rheumaforschungszentrum (DRFZ).
News aus der Abteilung Neue Therapien
Forschende der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Rheumatologie und Klinische Immunologie Charité – Universitätsmedizin Berlin lieferten in Zusammenarbeit mit anderen rheumatologischen Abteilungen in Deutschland entscheidende Hinweise auf die Wirksamkeit und Sicherheit einer neuen Therapie des adulten Morbus Still (Englisch: adult-onset Still’s disease – AOSD) und konnten somit entscheidende Daten zur Zulassung dieser Therapie beitragen. Bisher standen für dieses schwere und seltene Krankheitsbild keine zugelassenen Therapien zur Verfügung. Die von Professor Eugen Feist initiierte und in der hochrangigen Zeitschrift Annals of the Rheumatic Diseases publizierte Studie zum Einsatz von Canakinumab bei AOSD (CONSIDER-Studie) konnte damit zu einer entscheidenden Verbesserung der Versorgungssituation bei dieser Erkrankung beisteuern. Die Zulassung der Therapie durch die FDA in den USA erfolgte nach Abschluss der Studie im Juni 2020. Bereits 2016 wurde Canakinumab zur Behandlung des AOSD von der europäischen Arzneimittelbehörde zugelassen, zu diesem Zeitpunkt basierend auf Biomarkerdaten dieser Prüfer-initiierten Charité-Studie.
Die AOSD ist eine seltene auto-inflammatorische Erkrankung bisher unbekannter Ätiologie und Pathogenese. Die Diagnose wird nach Ausschluss infektiöser, hämatologischer und autoimmuner Erkrankungen gestellt. Zu den Hauptsymptomen des AOSD zählen unter anderem Fieber, Gelenkbeteiligung, Halsschmerzen sowie lachsfarbenes Exanthem. Die aktuellen Therapieempfehlungen basieren überwiegend auf Erfahrungswerten, wobei initial NSAR und Glukokortikoide eingesetzt werden. Zu einer Behandlung mit langwirksamen anti-rheumatischen Basismedikamenten waren zum Studienbeginn keine großen kontrollierten Studien bei AOSD publiziert. Es kann von einem Krankheitskontinuum mit der systemischen juvenilen idiopathischen Arthritis (sJIA) bei Kindern und Jugendlichen ausgegangen werden. Aus der klinischen Erfahrung und Behandlungsergebnissen des sJIA können daher verschiedene Therapieansätze für die AOSD extrapoliert werden. Ein Interleukin-1 (IL-1) Überschuss scheint eine Schlüsselrolle im Krankheitsgeschehen zu spielen. Der IL-1-Inhibitor Canakinumab ist seit 2013 für die Behandlung der sJIA zugelassen und zeigt gute Wirksamkeit. Auf Grundlage des Krankheitskontinuums und neuer molekularbiologischer Daten aus der CONSIDER Studie wurde eine Erweiterung der Zulassung für Canakinumab von der sJIA auf das AOSD durch die EMA 2016 ausgesprochen. Am 16.06.2020 erfolgte nun auch die Zulassung der Therapie durch die FDA in den USA. Bei beiden Zulassungsverfahren bei der EMA und F.D.A. waren insbesondere die Daten aus der seitens der Charité initiierten, weltweit ersten klinischen Studie zum Einsatz von Canakinumab bei AOSD (CONSIDER-Studie) von entscheidender Bedeutung. Die Studienergebnisse wurden nun im Mai 2020 in der Zeitschrift Annals of the Rheumatic Diseases veröffentlicht*.
Die multizentrische, doppelblinde, randomisierte, plazebokontrollierte Studie wurde seitens der Rheumatologie der Charité Universitätsmedizin Berlin unter Leitung von Prof. Dr. Eugen Feist und Mitarbeit von Dr. Claudia Kedor und Dr. Jan Zernicke initiiert (Investigator-initiated trial). Ein positives Ethikvotum der Ethikkommission des Landes Berlin lag vor. In zehn teilnehmenden Zentren wurden deutschlandweit 36 Patienten in die Studie eingeschlossen, davon 15 an der Charité. Bei einer seltenen Erkrankung wie dem AOSD ist diese erreichte Fallzahl ein bemerkenswertes Ergebnis. Die Patienten erhielten entweder Canakinumab (4mg/kg KG, maximal 300mg s.c. alle 4 Wochen) oder Placebo über einen Zeitraum von 24 Wochen. Der primäre Endpunkt der Studie war die Verbesserung der mit AOSD assoziierten Gelenkbeschwerden, gemessen an einem Aktivitätsscore, dem sogenannten DAS28. Zum Zeitpunkt der Rekrutierung wiesen die Patienten eine hochaktive Erkrankung. In der Intention-To-Treat-Analyse erfüllten 67% Canakinumab- und 41% Plazebopatienten das primäre Zielkriterium (p=0,18). In der per Protocol Analyse wurden in der Canakinumab-Gruppe im Vergleich zu Placebo signifikant höhere Ansprechraten für ACR30/50/70 beobachtet. In Woche 12 gaben mehr mit Canakinumab behandelte Patienten an, in den letzten sieben Tagen fieberfrei gewesen zu sein, verglichen mit Placebo. Nach Zulassung der Therapie durch die European Medicines Agency (EMA) wurde die Fortführung dieser Placebo-kontrollierten Studie vorzeitig beendet.
Zusammengefasst führte die Behandlung mit Canakinumab zu einer signifikanten Verbesserung mehrerer Endpunktmessungen bei AOSD. Die allgemeinen Sicherheitsergebnisse stimmten mit dem bekannten Profil von Canakinumab überein. Daher unterstützen die Daten die Indikation zur IL-1-Inhibition mit Canakinumab bei AOSD. Mit der Zulassung der Therapie mit Canakinumab bei AOSD ist für die Patienten eine wichtige neue therapeutische Option hinzugekommen.
Die Studien-Arbeitsgruppe in der Klinik für Rheumatologie, Campus Charité-Mitte beschäftigt sich weiter mit der Therapieforschung zur AOSD und ist aktuell bereits in der Vorbereitung einer weiteren wissenschaftsgeleiteten Prüfer-initiierten Studie.
*Kedor C, et al. Ann Rheum Dis 2020;0:1–8. doi:10.1136/annrheumdis-2020-217155
Förderung:
Diese Studie wurde unterstützt von Novartis Pharma GmbH (Sponsor der Studie)
Kooperationspartner:
Wichtige Kooperationspartner waren Dr. Joachim Listing und Anja Weiß vom deutschen Rheumaforschungszentrum in Berlin, PD Dr. Frank Behrens von der Goethe-Universität in Frankfurt, Prof. Dr. Norbert Blank von der Universität Heidelberg, Prof. Dr. Joerg Christoph Henes von der Universität Tübingen, Prof. Dr. Joern Kekow von der Helios-Fachklinik Vogelsang-Gommern, Prof. Dr. Andrea Rubbert-Roth vom Kantonsspital St. Gallen, Prof. Dr. Hendrik Schulze-Koops von der Universität München, Dr. Eva Seipelt vom Immanuel-Krankenhaus in Berlin.
Originalpublikation:
https://ard.bmj.com/content/early/2020/05/13/annrheumdis-2020-217155.long
Kontakt:
Dr. Jan Zernicke
Organisatorischer Leiter der Abteilung Neue Therapien in der Rheumatologie -
Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Rheumatologie und Klinische Immunologie
Charité – Universitätsmedizin Berlin
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